Parental Controls – oder Theorie vs. Praxis

Vor der Veröffentlichung von OS 3.0 wurden die neuen „Parental Controls“ angekündigt. Ich habe sehr darauf gehofft, dass ich meinen Schülerinnen und Schülern den Zugriff auf anstössige Websites damit verunmöglichen oder zumindest erschweren könnte. Leider ist das weiterhin nicht möglich, ohne Zusatzprogramme zu installieren.

Die Projektschule Goldau hat sich auf die Fahnen geschrieben, dass sich in dieser Umgebung Theorie und Praxis trifft. Ich glaube, dass sie sich in diesem Thema nicht treffen, sondern eher aufeinanderprallen:

Theorie: Beat Döbeli Honegger vom IMS vertritt die Meinung, dass Einschränkungen nicht sinnvoll sind, weil sie einerseits zu viele Seiten sperren und damit die Nutzung des Internets zu fest unterbinden und andererseits nicht alle anstössigen Sites ausschliessen können (siehe www.ethik.educaguides.ch). Ausserdem durchschauen unsere Kids solche Filter und können sie vielleicht auch ohne Wissen der Eltern umgehen (16 jähriger knackt 51 Millionen teuren Porno-Filter).

Theoretisch geht man davon aus, dass darüber zu sprechen sinnvoller ist, als alles einzuschränken.

Ich verstehe diese Theorie, stehe dahinter und vertrete sie auch oft.

Leider sieht es in der Praxis anders aus und da möchte ich unterscheiden zwischen der Schule und dem Elternhaus:

Schule: Unsere Schule gehört zu „Schule ans Netz“ von der Swisscom und diese filtert den Verkehr, ausserdem haben wir noch Mimesweeper installiert mit einer eigenen Withe-/Blacklist. Für mich als Lehrperson ist das recht beruhigend.

Elternhaus: Der grössere Teil der Eltern lässt ihre Kinder surfen, wie sie wollen. Sie schauen ab und zu vorbei und einige sehen sich den Verlauf an. Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass Teenager z.B. die Tastenkombination ALT + Tab (schnelles Umschalten zwischen Programmen) und das „Private Surfen“ im Firefox im Gegensatz zu den meisten Eltern kennen. In meiner aktuellen 6. Klasse haben gemäss eigenen Angaben die meisten schon Pornografie gesucht, gefunden und gesehen. Ein kleinerer Teil konsumiert regelmässig (zu Hause oder bei Freunden) pornografische Inhalte.

Mit dem iPhone-Projekt kommt nun ein weiterer Bereich hinzu: Schulweg, bzw. Freizeit. Jederzeit haben die Kids ein Gerät in der Hand, welches anstössige Inhalte ohne Probleme anbietet – ein Selbstversuch trieb mir in kürzester Zeit die Schamröte ins Gesicht! Dieses Gerät wird von der Schule zur Verfügung gestellt und deshalb sind wir verantwortlich dafür. Diese Verantwortung können wir nicht auf die Eltern abschieben. Ohne spitzfindig zu sein, machen wir uns vielleicht sogar strafbar nach Artikel 197:


Art. 197

4. Pornografie

1.  Wer pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere Gegenstände solcher Art oder pornografische Vorführungen einer Person unter 16 Jahren anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht oder durch Radio oder Fernsehen verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.


Ich bin sicher, dass die Schülerinnen und Schüler der zukünftigen Klasse die Suche nach Pornografie ausprobieren werden. Ich bin auch sicher, dass es Eltern geben wird, welche mir die Schuld zuschieben werden, wenn ihr Kind solche Inhalte konsumiert (obwohl die Erfahrung mit der jetzigen Klasse zeigt, dass das Problem im Elternhaus wahrscheinlich sowieso kommen wird). Wenn das passiert, ist das iPhone-Projekt ernsthaft gefährdet und das will ich verhindern.

Auf der Suche nach möglichen Lösungen stiess ich auf verschiedene Programme, welche Einschränkungen anbieten. Am besten hat mir Mobicip.com gefallen und habe es gekauft und installiert. Einen Testbericht werde ich hier im Blog später veröffentlichen. Inzwischen wäre ich dankbar um weitere Möglichkeiten via Kommentarfunktion.

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4 Responses to Parental Controls – oder Theorie vs. Praxis

  1. Adi Dummermuth says:

    Die Realität hat das i-phone Projekt schneller eingeholt als erwartet. Trotz aller begleitenden Massnahmen besteht ein erhebliches Risiko und offenbar eine hohe Wahrscheinlichkeit des Missbrauchs. Dies in einem Feld, in welchem in der öffentlichen Debatte und der Medienberichterstattung absolut keine Differenzierung oder Relativierung zu vermitteln ist. Ich begrüsse die technische Einschränkung bez. P-Seiten und werde dies auch so ggü. dem Schulrat Arth kommunizieren.

  2. Zur Frage der möglichen Strafbarkeit: Ich bin zwar kein Jurist, aber ich würde die Strafbarkeit verneinen. Wenn diese gegeben wäre, dann wären in den vergangenen zehn Jahren, in denen es Internet in der Schule gibt, bereits einige diesbezügliche Verurteilungen in der Schweiz vorgekommen. Mir ist aber keine einzige bekannt.

  3. Zu technischen Einschränkungen, insbesondere Filtern: Meine Haltung zu Filtertechnologien hat sich in den vergangenen Jahren wenig verändert. Filter funktionieren nur unzuverlässig, stacheln zum Umgehen an und vermitteln ein falsches Bild der Sicherheit. Somit besteht die Gefahr, dass man sich nur auf die Filter verlässt und die Thematisierung der problematischen Aspekte des Internets vergisst.

    Unsere bisherigen Recherchen zu Filtermöglichkeiten beim iPhone haben übrigens ergeben, dass die Lösungen nicht kostenfrei zu haben sind und – für mich schlimmer – zu Lasten der Usability gehen.

    Da werde ich hart: Ich will nicht schon wieder die Möglichkeiten einer neuen Technologie aus Angst vor möglichem Missbrauch präventiv beschneiden. Das kennen wir aus vergangenen Erfahrungen von ICT an Schulen zur Genüge.

  4. Zur Diskussion über mögliche Missbräuche des iPhones: Ich finde die hier (und noch viel intensiver nicht hier!) geführte Diskussion über die möglichen Missbräuche von ICT in der Schule (im vorliegenden Fall: Persönliche Smartphones) in der Schule eigentlich wichtig und erachte es als wertvoll, dass wir dazu einiges überlegen. Die Schule kann sich dieser Diskussion nicht entziehen.

    Zudem kann ich als Vertreter der Pädagogischen Hochschule zwar meine Ansichten einbringen, aber ich bin doch der Theoretiker, der sich dann weniger direkt vor den Eltern und Schulbehörden rechtfertigen muss. Somit denke ich gar nicht daran, solche Entscheide ohne Einzug der Lehrpersonen zu treffen.

    Auf der anderen Seite finde ich aber auch bedenklich, dass wir selbst in einem innovativen Schul-ICT-Projekt in meiner Wahrnehmung die meiste Zeit über die möglichen negativen Auswirkungen diskutieren, statt uns mit den Potenzialen zu beschäftigen.
    Wenn bereits early adopters zu Bedenkenträgern mutieren, wie sieht es dann erst in der durchschnittlichen Schule aus…

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