Von der Schwierigkeit, das Alltägliche zu benennen

Torsten Larbig, Gymnasiallehrer und Blogger aus Frankfurt äusserte sich gestern erst in einem Tweet und danach ausführlicher in einem Blogposting kritisch zum Begriff der Tabletklassen:

»Laptop-« oder »Tabletklassen« werden gerne und oft angeführt, wenn nach zeitgemäßem Unterricht gefragt wird, der auf (nicht) absehbare Herausforderungen des 21. Jahrhunderts Antworten gibt. – Es werden Klassen nach der in ihnen verwendeten Technologie benannt, nicht nach Schwerpunkten des Lernens, wie man sie in Schulprofilen finden kann. Und das wird im Prinzip kaum hinterfragt.

Zwar sprach nie jemand jemals von »Stift-und-Papier-Klassen«, es wurde nie zwischen »Schulheft-« und »Collegeblock-Klassen« unterschieden, obwohl es doch ein Unterschied gibt zwischen der starren Seitenfolge im Schulheft und der dynamischeren Einsetzbarkeit von Collegeblöcken, aber werden »Laptop-« oder »Tabletklassen« an Schulen eingeführt, welche Bezeichnung nutzen wir denn dann für die Klassen, die keine »Tabletklassen« sind? Oder basteln wir jetzt noch »Smartwatch-Klassen«, um mithilfe eines Bezugs zu einer Technologie den Eindruck zu erwecken, dass man »modern« sei?

Ich kann das Unwohlsein von Torsten Larbig mit dem Begriff Tabletklasse im Speziellen und dem Betonen der technischen Geräte im Allgemeinen gut verstehen. Auch die Projektschule Goldau hat mit diesem Problem zu kämpfen.

Ja, die Projektschule Goldau hat bereits vor einigen Jahren (2009-2011) eine Smartphone-Klasse gehabt und gilt seither als Leuchtturmprojekt. Klar, unterdessen sind wir weiter. Nach der Smartphone-Klasse kam für zwei Jahre (2011-2013) der digitale Alltag (das waren dann eben die Tabletklassen…) und seit 2013 läuft das Projekt „Brings mIT“ nach dem BYOD-Prinzip. Ab Schuljahr 2015/2016 in allen 5. & 6. Klassen in Goldau und Arth. Damit gibt es bezüglich Verfügbarkeit digitaler Medien in den Klassen keine Unterschiede mehr – es hängt in technischer Hinsicht nicht mehr davon ab, zu welcher Lehrperson eine Schülerin oder ein Schüler kommt.

Doch das Grundproblem bleibt: Die Projekte haben einen technischen Fokus, beziehungsweise mindestens einen technischen Namen. Das liegt zum einen daran, dass sie als Leuchtturmprojekte (und ja, die braucht es aus meiner Sicht – vor dem iPhone-Projekt in Goldau war für viele die alltägliche Integration von Smartphones in den Primarschulinterricht schlicht nicht vorstellbar) und zum anderen daran, dass die Pädagogische Hochschule Schwyz zusammen mit der Schule Erfahrungen beim Einsatz persönlicher digitaler Medien sammeln will.

Doch dieser Fokus scheint zu suggerieren, es gehe den Beteiligten nur um die Digitaltechnologie. Ging es ihnen nie und geht es ihnen zunehmend weniger 😉

Bereits 2009 haben wir als Ziel formuliert:

Unser Ziel ist es, dass die Geräte ganz aus dem Fokus der Aufmerksamkeit verschwinden. Dann ist die alltägliche Integration erreicht.
Es ist durchaus möglich, dass die iPhones nach einem halben Jahr so im Schulalltag integriert sind, dass die Kinder sie gar nicht mehr als etwas Besonderes wahrnehmen. Die Geräte sind immer da, genau wie ein Bleistift, ein Buch oder ein Heft. Damit ist ihre Nutzung kein Ereignis mehr, anders als wenn die Lehrperson ankünden würde “So, heute gehen wir in den Computerraum!”.

Und tatsächlich waren die digitalen Geräte bald nichts besonderes mehr und werden zu etwa 10-15% der Unterrichtszeit eingesetzt.

Wir haben uns auch gegen die Entweder-Oder-Wahrnehmung zu wehren versucht. Nur weil digitale Medien allzeit verfügbar sind und auch von Zeit zu Zeit verwendet werden, bedeutet das noch lange nicht, dass analoge Medien verdrängt werden sollen.

Auch in naher Zukunft werden in den Gemeindeschulen Arth-Goldau digitale Medien verfügbarer sein als im schweizerischen Durchschnitt und die Schulleitung wird Wert darauf legen, dass die Lehrpersonen auch wissen, wie und wann man diese Medien sinnvoll im Unterricht einsetzt. Zu einer zeitgemässen Schule gehört, dass digitale und analoge Medien parallel eingesetzt und mit ihren Vor- und Nachteilen thematisiert werden. Die Schülerinnen und Schüler sollen kompetent werden, selbst entscheiden zu können, womit sie arbeiten wollen. Sehr schön zeigt sich dies in der kleinen Geschichte des Hausaufgabenbüchleins.

So, und nun: Wie benennt man dieses Achtgeben auf das Digitale im Dienste guten Unterrichts?

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